Was ist Loslassen und warum fällt es uns nur so unheimlich schwer?

Also da stellt sich mir zu allererst aber doch die Frage, warum wir über LOSLASSEN nur sprechen wenn es uns schwer fällt und wenn ich meine löchrige Jeans wegschmeisse kein Hahn danach kräht?! Dann nennt sich das ‘Wegschmeißen’.
Trenne ich mich aber von den Postkarten die mir Oma Inge jährlich zum Geburtstag geschrieben hat, dem Sessel den mir mein Exmann an diesem verregneten Samstagnachmittag geschenkt hatte oder von den Büchern die mir Mama damals in Rom gekauft hat – dann aber auch nur dann sprechen wir von Loslassen.
Wenn wir darüber in der Familie sprechen ernten wir meist bewundernde Kommentare von wegen “Toll dass du das angehst….Loslassen tut gut.“
“Äääääääh, ja “ denke ich, wenn ich da an meine löchrige Jeans zurück denke war das keinem einen Atemzug an Bewunderung wert.
Nun ja, wie dem auch sei – Loslassen.
Loslassen scheint etwas ziemlich unbeliebtes, schwieriges aber auch nötiges zu sein.
Was ist Loslassen eigentlich? Das Gegenteil von Festhalten? “Oh cool“ ist mein erster Gedanke.
Etwas NICHT tun, also NICHT festhalten, das kann doch so schwer nicht sein.
Allgemein kann es doch nicht so schwierig sein etwas einfach zu lassen oder? Aber spätestens seit dem Streit mit Onkel Robert auf Ernas 70. Geburtstag weiß ich wie schwer es ist etwas NICHT zu sagen. Es einfach für mich behalten dieses gute Argument, weil es die Situation weiter eskalieren hätte lassen. Oder aber jemanden NICHT anrufen. Weil man aus Prinzip findet dass der Andere nun dran ist sich zu melden oder damals mega verliebt in der 8.Klasse, den anderen den ersten Schritt machen zu lassen. Okay also auch etwas zu unterlassen kann unheimlich schwer u energieraubend sein. Beim Loslassen in den meisten, klassischen Fällen geht es nun erschwerend ja auch nicht nur darum etwas nicht zu tun, sondern Gegenstände weg zu geben oder Gedanken frei zu lassen.
Wegschmeißen in den Müll, Sperrmüll, verschenken, verkaufen oder ziehen lassen. Diese Gedanken, wieso etwas so ist, akzeptieren lernen und aus dem Kopf ziehen zu lassen. Die Hoffnung doch noch eine eigene Kanzlei zu gründen, etwas Neues zu studieren, sich selbständig zu machen – gehen lassen und sich erstmal nicht weiter damit zu befassen.
Die Sorgen um die Kinder; werden sie ihr Glück finden? Immer Arbeit haben? Kommen sie heil von der Party nach Hause? und bleiben sie gesund? – beiseite schieben und vertrauen üben, dass alles gut wird und wir sie nicht immer u auf ewig vor allem beschützen werden können.
Abschließend kommen wir unweigerlich wieder bei der Jeans, den Fotoalben, dem Sessel, Omas Schmuck und der Lieblingsdecke von Mama an.
Warum ist es nun auch so schwer diese gehen zu lassen, wo ich sie doch eigentlich gar nicht mehr brauche und auch im Keller, auf der Bühne, unter dem Bett oder im hintersten Eck des Kleiderschrankes gar nicht sehe?
Ich bewundere die Menschen die sagen “Ich brauche das alles nicht. Ich habe alle Erinnerungen in meinem Herzen“ und auch die, die mit 3 Kindern Jahre lang in einem Wohnmobil auf 12qm um die Welt reisen. Die scheinbar nichts brauchen außer sich selbst, ihre Liebsten und die Kleider die sie am Körper tragen.
Aber wie auch viele andere Menschen tue ich mich damit schwer. Ich fühle mich gut wenn ich weiß dass ich eine Kiste öffnen und meine Erinnerung spüren kann. Klar ich habe sie im Herzen und auch im Kopf, aber den samtigen Stoff spüren fühlt sich gut an und hilft meiner Erinnerung doch immer wieder auf die Sprünge.
Loslassen, es bleibt wohl eine lebenslange Aufgabe und Herausforderung. Jeden Tag ein kleines Stück.

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